Digitalisierung? Was haben wir bei HR denn damit zu tun? Oder: Sechs strategische Hausaufgaben für den HR-Manager

By | 9. Dezember 2015

Ich gebe zu, ich habe noch keinen HR-Manager persönlich erlebt, der auf die Frage, was Digitalisierung für ihn und seine Abteilung bedeutet, mit der obigen Gegenfrage „Was haben wir bei HR denn damit zu tun?“ geantwortet hätte. Aber der Eindruck, dass viele HR-Verantwortliche so oder ähnlich über den Megatrend „Digitalisierung“ denken, besteht bei mir dennoch.

Und in einem gewissen Maße ist dies sogar verständlich. Denn die Herausforderungen, denen sich die Personalabteilungen mit knappen Budgets im Alltag stellen müssen, sind auch ohne dieses Thema schon beträchtlich. Heute sollen es wirksamere Recruiting-Konzepte sein, morgen eine bessere Personalentwicklung für die zukünftigen Führungskräfte, gestern (im Zusammenhang mit der Planung des HR-Budgets für 2016) hieß es allerdings noch „Ihr sollt doch bloß für eine reibungslose Administration sorgen“.

Dennoch scheint mir kaum etwas so wichtig zu sein wie eine strategische Vorbereitung der HR-Bereiche auf die mit der unaufhaltsam zunehmenden Digitalisierung aller Unternehmensbereiche verbundenen Veränderungen. Gerade ein Personalbereich als interner Dienstleister, der immer ein Stück weit damit kämpft seinen Wert – und damit seine Kosten – zu rechtfertigen, kann es sich nur schwer leisten,  eines Tages von der Geschäftsführung gefragt zu werden „Wir haben die technischen Voraussetzungen für die Digitalisierung geschaffen, wie sieht es mit der Umsetzungsfähigkeit unserer Mitarbeiter aus?“, ohne darauf eine gute Antwort zu haben. Umgekehrt bietet gerade das Thema Digitalisierung eine exzellente Chance, den strategischen Wert guter Personalarbeit deutlich zu machen.

Dies scheint aber bei weitem noch nicht in allen Köpfen angekommen zu sein. Deshalb nachfolgend einige Hinweise zu den wichtigsten Themenfeldern, in denen HR wertvolle Beiträge zu einer gelingenden Digitalisierung leisten kann und muss.

  1. Die Geschäftsführung für die personalspezifischen Herausforderungen sensibilisieren

Wir dürfen getrost davon ausgehen, dass die Geschäftsführungen beim Thema Digitalisierung in erster Linie nicht an ihre Mitarbeiter denken, sondern an die Veränderungen von Märkten und Geschäftsmodellen sowie die technischen Voraussetzungen, die unternehmensseitig geschaffen werden müssen. Die erste Aufgabe des HR-Managers besteht also darin, die oberste Führungsebene dafür zu sensibilisieren, dass der Prozess der Digitalisierung des Unternehmens nicht gelingen wird, wenn die Mitarbeiter nicht darauf vorbereitet werden – und sich damit selbst zum aktiven Mitgestalter des strategischen Prozesses zu machen.

  1. Mitarbeiter schulen

Veränderte Geschäftsmodelle und die verstärkte Nutzung digitaler Anwendungen erfordern veränderte Kompetenzen bei den Mitarbeitern. Ein wesentlicher Beitrag der HR für das Gelingen der Digitalisierung im eigenen Unternehmen ist daher, frühzeitig den Ausbildungsbedarf zu identifizieren und entsprechende Schulungskonzepte zu definieren. Diese müssen spätestens dann umgesetzt sein, wenn die technischen Veränderungen realisiert wurden. Wer erst nach erfolgten technischen Investitionen mit der Feststellung des Ausbildungsbedarfs beginnt, dürfte auf wenig Verständnis bei Geschäftsführung und Controlling stoßen: Die meist erheblichen Investitionen bleiben dann viel zu lange ohne wirtschaftliche Wirkung.

  1. Vorbereitung und Begleitung des Veränderungsprozesses

Neben der „harten“ Wissensvermittlung bedeutet erfolgreiche Digitalisierung auf Seiten der Mitarbeiter und Führungskräfte auch Verständnis und Akzeptanz für die Hintergründe der Veränderung und für einen veränderten Umgang mit Kunden und Geschäftspartnern. Ein solcher Veränderungsprozess muss geplant und begleitet werden und gerade hier können die HR-Abteilungen Kompetenzen und Fähigkeiten der Personalentwicklung sinnvoll einbringen.

  1. Veränderte Arbeits(zeit)modelle

Die Digitalisierung wird viele Details der Gestaltung von Arbeitsplätzen und Arbeitszeiten beeinflussen. Einige Tätigkeiten müssen nicht mehr zwingend an einem bestimmten Arbeitsplatz ausgeführt werden, ein beliebiger Internet-Zugang wird als Voraussetzung häufig genügen. Dennoch sollte die Bindung von Mitarbeitern an das eigene Unternehmen im Auge behalten werden. Was bedeutet das für den Arbeitsplatz und den Arbeitsvertrag von morgen? Zusätzlich wird die Digitalisierung in vielen Bereichen den Trend zur Schichtarbeit verstärken: Teure digitalisierte Produktionsmittel müssen so lange wie möglich betrieben werden, um sich zu amortisieren. Schichtarbeit ist aber zunächst für viele Mitarbeiter nicht populär. Wenn sie aber unvermeidbar ist, wie kann sie so gestaltet werden, dass das eigene Unternehmen auch in Zeiten einer zunehmenden Verknappung junger, qualifizierter Arbeitskräfte noch ein attraktiver Arbeitgeber bleibt? Hierzu haben wir an anderer Stelle (z.B. in der Huffington Post oder auf der Website www.arbeitszeit40.de) bereits ausführlicher Stellung genommen. Deshalb hier nur die kurze Aussage: Die Digitalisierung von Produktion, Logistik und Dienstleistungen wird stark individualisierte Arbeitszeiten auch im Schichtbetrieb und damit einhergehend komplexere Planungsprozesse mit sich bringen. Darauf müssen sich die Unternehmen frühzeitig einrichten, denn auch diese Veränderung gelingt nicht über Nacht, hat aber ganz essentielle Auswirkungen auf Produktivität und Attraktivität als Arbeitgeber.

  1. Digitalisierung der HR-Prozesse

Natürlich muss die Personal-Administration auch ihre eigenen Hausaufgaben in Sachen Digitalisierung machen. Wenn sich das ganze Unternehmen durch Digitalisierung auf schnellere Reaktionszeiten und verbesserte Produktivität trimmt, sinkt das Verständnis für eine Personalarbeit mit Papier und Bleistift (sofern es heute noch vorhanden sein sollte) in kürzester Zeit ins Bodenlose. Es gilt also alle Personalprozesse (vom Online-Recruiting über Personalentwicklung und digitale Personalakte bis hin zu Entgeltabrechnung und Personaleinsatzplanung) auf Verbesserungspotentiale durch Automatisierung und Digitalisierung zu prüfen.

  1. Heute beginnen!

Bis zur erfolgreichen Digitalisierung der Geschäftsprozesse eines Unternehmens wird es in den meisten Fällen noch einige Jahre dauern. Wer als HR-Verantwortlicher daraus den Schluss zieht, dass seine eigenen Beiträge zur Digitalisierungsstrategie noch Zeit hätten – nach dem Motto „ist zwar wichtig, aber das machen wir später“ – der läuft größtmögliche Gefahr, als Verlierer aus diesem Transformationsprozess hervorzugehen. Denn gerade die Veränderungen mit Bezug zum Personal benötigen Zeit. Werden sie erst eingeleitet, wenn die technischen Veränderungen bereits in den Startlöchern stehen, wird sehr schnell die Suche nach einem Schuldigen beginnen. Wie sehr die Zeit drängt, wird schnell am Beispiel der Arbeitszeitveränderung deutlich: Wer schon einmal eine kleine, eher triviale Änderung an einem Schichtmodell umgesetzt hat, weiß, wie sehr Mitarbeiter an dem gewohnten Modell hängen – egal wie gut, sinnvoll oder ergonomisch nachteilig dieses ist. Schon kleinste Änderungen bedürfen langwieriger Diskussionen und Verhandlungen mit den Mitbestimmungsgremien. Eine tiefergreifende Veränderung in Richtung stärker individualisierter Arbeitszeiten im Rahmen flexibler Schichtmodelle braucht umso mehr Zeit, bis sie umgesetzt werden kann und Wirkung entfaltet – häufig muss sie in mehrere Schritte aufgeteilt werden. Es wäre also fatal zu warten, bis die digitalisierte Produktion steht, denn dann werden in kürzester Zeit Amortisationseffekte erwartet.

Fazit:

Die Digitalisierung fällt massiv auch in die Verantwortungsbereiche der Personalabteilungen. Jeder HR-Verantwortliche ist gut beraten, sich schnellst möglich in den strategischen Veränderungsprozess einzubringen und die Weichen für eine erfolgreiche Veränderung zu stellen!

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